Gorongosa Project Naturschutz als
Entwicklungsmotor

Neue Chancen für Mosambiks junge Generation

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Über das Projekt

Seit 2004 hat sich der US-amerikanische Philanthrop Gregory Carr dem „Gorongosa Projekt“ (GP) in Mosambik verschrieben. Seine Mission: Den im Bürgerkrieg zerstörten Nationalpark wieder aufzubauen. Die Greg Carr Foundation schloss einen Vertrag über eine Public-Private-Partnership mit der mosambikanischen Regierung. Sie schuf mit einem Team aus Wissenschaftlern und Mitstreitern die Bedingungen, damit sich fast ausgerottete Tierpopulationen erholten und verschaffte parallel dazu vielen am Rande des Parks lebenden Menschen neue Jobs und Perspektiven.

Von den heute mehr als 1000 Mitarbeitenden des Nationalparks sind 99 Prozent Einheimische, die Hälfte von ihnen Frauen. Das GP ist bei weitem der größte Arbeitgeber in der Region. Familien profitieren stark von neu errichteten Schulen und Förderprogrammen für Kinder und Jugendliche, denn rund zwei Drittel des Gorongosa-Etats fließen in soziale Projekte außerhalb des Nationalparks.

Seit Beginn unserer Kooperation mit dem GP fördert die Alexander Gruner Stiftung Bildungsprojekte speziell für Mädchen und Frauen. Im September 2022 haben wir die neu geschaffenen Einrichtungen, die Stipendiatinnen und die verantwortlichen Teams besucht - und waren begeistert...

Überblick: Das Gorongosa Projekt

Naturschutz und nachhaltige Armutsbekämpfung – das gehört beim Gorongosa Projekt untrennbar zusammen. Ein ganzheitlicher Ansatz, bei dem sich zwei Zielsetzungen gegenseitig verstärken sollen: „Der Mensch kann ohne intakte Natur langfristig nicht leben“, so Greg Carr. „Aber umgekehrt hat auch die Natur keine Chance, wenn die Menschen nicht verinnerlicht haben, wie wertvoll sie ist“. Diese Philosophie verbindet den Schutz von Löwen, Elefanten und uralten Miombo-Wäldern mit den Initiativen für Gesundheit und wirtschaftliche Entwicklung der 200.000 Menschen rund um den Nationalpark.

Dieses große Gesamtprojekt hat uns begeistert, weil es dem Denken unseres Stifters entspricht. Die Alexander Gruner Stiftung hat daher einige ganz konkrete Initiativen des Gorongosa Projekts identifiziert, bei denen sie mit ihren Mitteln einen zusätzlichen Beitrag leisten kann, etwa die Ausbildung junger Wissenschaftlerinnen und die Förderkurse zur Stärkung der Mädchen und jungen Frauen in der Region.

Der Nationalpark von Gorongosa...

...umfasst eine Fläche von der Größe des Ruhrgebiets mit atemberaubend schönen Landschaften. Das Schwemmland rund um den Lake Urema ist ein Paradies für Nilpferde, Wasservögel und die riesigen Nilkrokodile. Löwen, Leoparden und Wildhunde bevorzugen die weiten Savannen zum Jagen, während sich Büffel- oder Elefantenherden gerne in die dichten Wälder zurückziehen. Der weitaus größte Teil des Nationalparks ist für Besucher unzugänglich. Zur jährlichen Inventur des Tierbestands oder für Forschungsexpeditionen müssen Teams aus Wissenschaftlern und Rangern mit dem Hubschrauber in der Wildnis abgesetzt werden.

In den 1960er Jahren lockte Gorongosas Artenreichtum die Reichen und Schönen aus aller Welt zum mondänen Safari-Abenteuer in die portugiesische Kolonie. Doch dann versank das Land nach der Unabhängigkeit Mosambiks 1975 für zwanzig Jahre in einem blutigen Bürgerkrieg. Die Frontlinie verlief ausgerechnet durch das Gebiet des Nationalparks, der von Wilderern regelrecht ausgeschlachtet wurde.

Heute kann man in leuchtenden Hainen aus Fieberbäumen und riesigen Baobabs wieder Warzenschweinfamilien und große Herden von Impalas, Gnus oder Wasserböcken beobachten. Vogelliebhaber entdecken hier eine Vielzahl von Arten, die es sonst nirgendwo in Afrika gibt. Nur für Begegnungen mit Raubkatzen oder Elefanten braucht es etwas Glück. Noch ist der Großwildbestand nicht annähernd auf die Dichte von einst angewachsen.

Finanziert wird das GP immer noch maßgeblich von der Greg Carr Foundation, aber auch von internationalen Partnern, wie beispielsweise USAID, Irland, Kanada, Portugal, Norwegen oder der EU und vielen kleineren und mittelgroßen Unterstützern wie der Alexander Gruner Stiftung.

Viele der etwa 200.000 Menschen, die rund um den Park leben, sind Subsistenzfarmer und können kaum von den Erträgen ihrer Arbeit existieren. Kinder müssen oft zuhause kleinere Geschwister betreuen oder auf den Feldern mithelfen anstatt zur Schule zu gehen. Vor allem Mädchen werden hier traditionell früh verheiratet, denn die Ehemänner zahlen für die Braut eine Mitgift. Zwar sind in Mosambik seit 2019 Eheschließungen unter 18 Jahren per Gesetz verboten. Doch Kinderehen und frühe Schwangerschaften beenden immer noch für jedes zweite minderjährige Mädchen die Schullaufbahn – und verschließen damit den Weg aus der Armut.

Gorongosas "Girl's Clubs" –
ein besonderes Bildungsprogramm für Schülerinnen

Schlechte Schulbildung und viel zu frühe Schwangerschaften sind ein Hauptproblem für Mädchen und junge Frauen in Mosambik. Drei von vier Mädchen lernen in der Grundschule nicht einmal richtig lesen.

Das Gorongosa Projekt erreicht 2023 schon rund 43.000 Kinder in 100 Grundschulen in der Pufferzone des Nationalparks. Über 600 Lehrer erhalten bereits Fortbildungen durch das Human Development Team des GP. Besonders erfolgreich sind die "Girl's Clubs". Sie sind ein den Grundschulen angegliedertes Nachmittagsangebot, das sich ausschließlich an Mädchen richtet. Die Gruppenleiterinnen geben den Schülerinnen nicht nur Nachhilfeunterricht. Sie informieren auch über Themen wie Sexualität und Verhütung, diskutieren über universale Kinderrechte und vermitteln bei Problemen innerhalb der Familien. Sport- und Ferienangebote - u.a. mit Safaris oder Praktika im Park - geben den Mädchen Einblicke in neue Berufsfelder. Die AGS finanziert aktuell drei dieser Clubs.

Mit den ersten 5000 Euro der AGS konnten im Jahr 2019 unter anderem 50 Fahrräder für die Betreuerteams der Girl's Clubs gekauft werden. Ihre neue Mobilität erleichtert den sogenannten Promotern eine individuelle Betreuung der Schülerinnen. Sie können einfacher Kontakt zu den Eltern aufbauen und bei schulischen Problemen der Mädchen vermitteln. Besonders wichtig waren die Fahrräder in den beiden Corona-Pandemiejahren. Während die Schulen zeitweise geschlossen waren, fuhren die Promoter über die Dörfer und brachten ihren Schülerinnen persönlich neues Lernmaterial und Hausaufgaben.

In Absprache mit Greg Carr und der Human Development-Abteilung von Gorongosa entschieden wir im Frühjahr 2020, dass wir unsere Förderung an einem Ort konzentrieren wollen, wo bisher noch keine Hilfen ankamen: in der Distrikthauptstadt Inhaminga.

Von den für 2020 bewilligten Fördermitteln der Alexander Gruner Stiftung konnten drei neue Girl's Clubs an den Grundschulen Escola Primária Completa (EPC) de Ceta, EPC de 25 de Setembro und EPC de Inhaminga aufgebaut werden. Alle drei Schulen haben einen hohen Mädchenanteil, von denen leider viele die Schule abbrechen. In Mosambik gehen Kinder oft erst ab dem Alter von neun oder zehn Jahren in die Schule, nur ein Drittel von ihnen kann nach Abschluss der Grundschule ordentlich lesen, schreiben und rechnen.

Für jeden Girl's Club werden 40 Mädchen ab dem Alter von zehn Jahren nach bestimmten Kriterien (z.B. Gefahr der frühen Verheiratung, Förderbedarf) ausgesucht. Ein gemischtes „Promoter“-Team (m/w) betreut die Schülerinnen. Trotz der Pandemie konnten 2020 drei Frauen und drei Männer aus vielen Bewerber:innen ausgewählt und in Workshops zu Promotern der neuen Girl's Clubs ausgebildet werden.

Sie unterrichten nach einem Curriculum, in dem neben schulischen Inhalten auch Alltagsthemen, Sexualkunde, Gendergerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Umweltschutz behandelt werden.

Mädchen müssen zur Schule gehen dürfen! Nur so retten wir unseren Planeten.
Greg Carr, Gründer des Gorongosa Projekts

Als Promoter rekrutiert das GP Highschool-Absolventinnen, die aus den Dörfern der Pufferzone des Parks stammen. Für die 18-29jährigen Frauen und Männer ist es nicht nur ein sicherer Job, sondern auch die Gelegenheit, ihr Wissen weiterzugeben, den Schülerinnen ein gutes Vorbild zu sein und Lehr-Erfahrung zu sammeln.

Neben den Promotern gehören zu allen Girl's Clubs die „Madrinhas“ (= Patinnen). Es sind meistens ältere Frauen, die von ihren jeweiligen Dorfgemeinden vorgeschlagen werden und die ehrenamtlich arbeiten. Sie werden wie die Promoter vom GP in Seminaren auf ihre besondere Aufgabe vorbereitet. Jede Madrinha betreut vier nicht mit ihr verwandte Mädchen und spricht mit ihnen über Themen, die die Schülerinnen mit dem Beginn der Pubertät beschäftigen und die sie nicht mit Familienangehörigen klären wollen.

Dazu gehören u.a. Konflikte in der Schule oder in der Familie, Aufklärung zur Menstruation, Sexualität, Geschlechterrollen und die in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenen Rechte für Kinder und Jugendliche. Madrinhas sollen aber auch die Bewohnerinnen und Bewohner ihrer Dörfer über die UN-Kinderrechte und die Gefahr von Kinderehen aufklären und in extremen Fällen Verstöße gegen diese Rechte melden.

Im Auswahlverfahren für die drei neuen Girl's Clubs von Inhaminga wurden 30 Madrinhas durch die Gremien des Gorongosa Projekts und der Schulen bestätigt. Als Anerkennung für ihren Einsatz bekommen sie zum Start eine "Schulkleidung" und in Abständen Lebensmittel wie Reis, Salz, Öl, Zucker etc. geschenkt. Die Madrinhas können auch zwei Fahrräder und ein Handy mitbenutzen, die jeder Girl's Club erhält.

Das AGS High School-Stipendium

Für 20 besonders begabte Schülerinnen finanziert die Alexander Gruner Stiftung seit 2021 Stipendien, damit sie eine weiterführende Schule besuchen können. Nur 11 Prozent aller Mädchen in Mosambik gehen überhaupt auf eine weiterführende Schule, auf dem Land ist die Quote noch deutlich geringer.

Die Escola Secundaria de Inhaminga ist die einzige High School in der Distrikthauptstadt. Weil es hier für alle angemeldeten Schülerinnen und Schüler der Klassen sieben bis zwölf zu wenige Klassenräume gibt, werden sie in an jedem Wochentag in drei Schichten zwischen 8 und 22 Uhr unterrichtet.

Alle 20 Stipendiatinnen haben die ersten beiden High School-Jahre erfolgreich absolviert und sind 2023 in der neunten Klasse – ein großer Erfolg! Einige von ihnen haben schon konkrete Berufsziele wie Anwältin, Ärztin, Krankenschwester, viele wollen gerne Lehrerin werden und ihre eigene positive Erfahrung weitergeben. Wir bleiben dran und wünschen den jungen ambitionierten Frauen viel Freude und gute Noten im neuen Schuljahr.

Das AGS Universitäts-Stipendium

Mit einem Stipendium für besonders talentierte Studentinnen wollen wir jungen Frauen aus der Region um den Nationalpark auch eine akademische Ausbildung ermöglichen. Unsere erste Universitäts-Stipendiatin war die heute 26jährige Diolinda Felix Mundoza. Sie begann 2016 ein Praktikum im Gorongosa Nationalpark, entdeckte ihre Leidenschaft für die Vogelkunde und studierte in Chimoio am Polytechnic Institute Manica die Fächer Ökotourismus und Wildlife-Management.

Seit ihrem zweiten Studienjahr hatte die Alexander Gruner Stiftung alle Kosten ihrer Ausbildung übernommen. Nach ihrem erfolgreichen Studienabschluss 2022 gehört Diolinda als Wissenschaftlerin und Labortechnikerin nunmehr zum festen Team des Nationalparks.

Diolindas Nachfolgerin Muanassa, eine ebenfalls vielversprechende Studienanfängerin, hatten wir noch 2022 gemeinsam mit der Human Development-Abteilung des Gorongosa Projekts ausgewählt.

Doch im März 2023 informierte uns das GP-Team, dass trotz intensiver Überzeugungsarbeit Muanassas Eltern leider entschieden haben, ihre Tochter müsse das Studium unterbrechen und bis 2024 zuhause mitarbeiten, um den Ernteertrag zu verbessern. Muanassa selbst wollte sich nicht gegen ihre Eltern stellen. Ihr Stipendium mussten wir daher neu ausschreiben.

Mit Hilária Gabriel Limpo haben wir eine engagierte Nachfolgerin gefunden. Die 21jährige wurde 2022 vom GRP für ein achtmonatiges Praktikum im Gorongosa Scientific Department ausgewählt. Während dieser Zeit hat Hilária Intelligenz, Ehrgeiz, eine schnelle Auffassungsgabe und großen Einsatz und Begeisterung bei der Feldforschung bewiesen. Sie zeigte sich hochmotiviert ein Studium zu beginnen und danach in der Forschung zu arbeiten, schaffte an gleich drei verschiedenen Universitäten die Aufnahmeprüfung. Doch sie hatte große Sorge, wie sie Ihre Studienzeit finanziert. Ihre Mutter ist alleinerziehend, müht sich sehr, die Familie überhaupt durchzubringen.

Das Stipendium der Alexander Gruner Stiftung ermöglicht es Hilária nun sich voll und ganz auf ihr Studium "Forestry Engineering" an der Unilurio Universität in der Provinz Niassa zu konzentrieren.

Early Child Development - das neue Vorschulprogramm

Ebenfalls mit Förderung der Alexander Gruner Stiftung entsteht auf dem Gelände der Grundschule EPC de Ceta in Inhaminga seit dem Sommer 2022 ein Pilotprojekt für Mädchen UND Jungen: ein Vorschulkindergarten. Das Konzept ist gerade im ländlichen Mosambik weitgehend unbekannt und muss den Familien erst einmal nahegebracht werden.

Das neue Early Child Development (ECD) Programm soll Kinder ab dem Alter von etwa vier Jahren spielerisch auf die Schule vorbereiten und ihnen vor allem sichere Portugiesisch-Sprachkenntnisse vermitteln. Fast alle Kinder in Inhaminga sprechen als Muttersprache Ndau, eine der über 30 indigenen Sprachen Mosambiks.

Inzwischen zeigen immer mehr Familien Interesse an dem neuen pädagogischen Angebot. Zumal die Kinder auch ein gesundes Mittagessen bekommen. Mehr als 100 Kinder profitieren bereits heute (Stand Juli 2023) von dem neuen Angebot. Die Vorschulgruppen haben auf dem Schulgelände viel Platz zum Spielen und können praktischerweise vormittags auch den Girl's Club nutzen.

Der Leiter des ECD-Programms, Americo Boaze, erwartet, dass die teilnehmenden Kinder dank der frühen Förderung bessere Leistungen in der Schule zeigen. Denn sie entdecken spielerisch den Spaß am Lernen, üben sich verbal auszudrücken und einander zuzuhören, Mädchen und Jungen gleichermaßen respektvoll zu begegnen und kleine Aufgaben gemeinsam zu lösen.